Sahra Wagenknecht im Interview

Wagenknecht:

Sahra Wagenknecht im Interview mit der Berliner Zeitung. Peter Rigaud/Laif

Im Osten sind die Menschen kritischer, auch die, die die DDR gar nicht mehr erlebt haben. Sie hinterfragen viel stärker, was ihnen eine Regierung oder Medien erzählen. In der DDR ist man mit der Haltung aufgewachsen, was in der „Aktuellen Kamera“ gesagt wird, kann man nicht glauben. Und diese Skepsis hat sich offenbar auch auf die Jüngeren übertragen, die das gar nicht mehr selbst erlebt haben.

Aber noch mal: Wohin wird so ein neues, zersplittertes Parteiensystem führen?

Interessanterweise verhält sich der Osten in der Hinsicht wie andere europäische Länder. In Italien gibt es auch kaum noch Parteien, die es schon vor dreißig Jahren gab. In Frankreich ist es ähnlich. Das politische System in Westdeutschland ist im Vergleich dazu noch ungewöhnlich stabil. Unbestreitbar ist, dass die herrschende Politik sich in vielen westlichen Ländern und auch in Deutschland jahrelang über die Wünsche der Bevölkerung hinweggesetzt hat. Auf vielen Ebenen. Die soziale Frage, die wachsende Ungleichheit, die Außen-, Wirtschafts-, Migrations- und Energiepolitik. Besonders extrem ist das jetzt bei der Ampel. Wenn die Politik den eigenen Interessen widerspricht, sucht man nach Alternativen. Und das Problem der alten Parteien ist, dass sie keine Alternativen anbieten. Die CDU sagt in den Kernfragen das Gleiche wie die SPD.

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Welche Unterschiede gibt es eigentlich zwischen dem BSW und der AfD?

Warum wird diese Frage eigentlich nie an CDU oder FDP gestellt? Die stimmen in ihrer Wirtschafts- und Sozialpolitik in vielen Punkten mit der AfD überein, auch bei der Aufrüstung. Die AfD steht zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato, das ist also keine Friedenspartei. Im Nahostkonflikt steht sie auf der Seite des Krieges.

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Ist es für Sie von Belang, ob eine Partei vom Verfassungsschutz beobachtet oder sogar als extremistisch eingestuft wird? So wie die AfD in Thüringen.

Der Verfassungsschutz ist in dieser Frage keine Instanz, die ich ernst nehmen kann. Ich selbst habe lange einer Partei angehört, die von ihm beobachtet wurde. Der Verfassungsschutz führt ein Eigenleben, macht Politik. Deswegen wollen wir ihn in Sachsen, Thüringen und Brandenburg besser kontrollieren. Aber ich brauche nicht den Verfassungsschutz, um zu erkennen, dass die völkische Blut- und-Boden-Ideologie, die Höcke und sein Flügel vertreten, rechtsextrem ist.

Wie wollen Sie den Verfassungsschutz besser kontrollieren?

Wenn Herr Haldenwang, der Chef dieser Behörde, findet, dass auch legale Meinungen Ausschnüffelei rechtfertigen, heißt das: Hier wird nicht die Verfassung geschützt, sondern infrage gestellt. Natürlich müssen wir aufpassen, dass der Verfassungsschutz nicht sein eigenes Ding macht und Konformitätsdruck erzeugt.

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Wenn man sich für Frieden und Diplomatie einsetzt, dann kann man doch nicht hinnehmen, dass im Gazastreifen die Bevölkerung massakriert wird. Israel führt dort keinen Verteidigungskrieg. Das ist ein Vernichtungsfeldzug.

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